Homöopathieforschung

Homöopathie braucht mehr Forschung

350 Studien. In der Realität ist die Homöopathie angekommen. Das bestätigen praktische Erfolge an Kliniken. Studien zu ihrer Wirksamkeit werden jedoch gegensätzlich beurteilt.
Barbara Stelzer, Salzburger Nachrichten am 21.11.2012

International gibt es rund 350 randomisierte Studien und mehr als 1000 weitere Forschungsarbeiten zur Homöopathie. Das zeigten führende Homöopathieforscher dieser Tage bei einem Symposium in Wien auf, an dem 200 Ärzte und Medizinstudenten auf Einladung der vier homöopathischen Ärztegesellschaften Österreichs teilgenommen haben.
„Etwa 30 der im Doppelblind-Versuch durchgeführten Studien sind exzellent“, erklärte Michael Teut, Komplementärmedizin-Forscher von der Charité in Berlin. Das Problem in der anhaltenden Debatte um den wissenschaftlichen Wirkungsnachweis der Homöopathie liegt seiner Ansicht nach darin, dass Gegner und Befürworter das Datenmaterial unterschiedlich beurteilten.
„Dazu kommt, dass Arbeiten, die da sind, schlicht nicht zur Kenntnis genommen werden“, stellte Klaus von Ammon, oberärztlicher Leiter für Homöopathie-Forschung an der Universitätsklinik in Bern, fest. Gemeinsam mit einem Team von Kinderärzten und Neuropsychologen hat der ausgebildete Neurochirurg eine Studie zur homöopathischen Behandlung des Aufmerksamkeitsdefizitssyndroms (ADS) bei Kindern erstellt. Im randomisierten Doppelblind-Verfahren durchgeführt, zeigt sie, dass sich bei 80 Prozent der Kinder mit diagnostizierten Aufmerksamkeitsstörungen durch eine gezielte, individuelle homöopathische Behandlung das Krankheitsbild um mindestens 50 Prozent gebessert hat.
Die Studie wurde 2005 veröffentlicht. Nach Aussage von Ammon halten die Therapieergebnisse an, was gegen Placeboeffekte spricht. Es ist bekannt, dass sich positive Wirkungen von Scheinmedikamenten relativ rasch wieder verlieren. Möglich geworden sei die Berner ADS-Studie durch unübersehbare Erfolge, die hinzugezogene Homöopathen in der Uni-Klinik bei der Behandlung von schulmedizinisch schwer therapierbaren Kindern mit Epilepsie und ADS gehabt hätten, erklärte von Ammon. Auch die homöopathische Begleitung von jungen Krebspatienten während ihrer Chemo- und Strahlentherapie habe einen so offensichtlichen Zusatznutzen gebracht, dass die behandelnden Ärzte Vertrauen in die Homöopathie gewonnen hätten; die Kooperationsbereitschaft sei gewachsen.
„Wenn sich nur drei bis vier der vorliegenden soliden Studien wiederholen ließen, wäre dies ein Durchbruch“, erklärte Klaus Linde von der Technischen Universität München. Nach mehr als 15 Jahren komplementärmedizinischer Forschungsarbeit sei er verunsichert, ob sich die Wirkung der Homöopathie nachweisen lasse. Zwar werde auch in der konventionellen Medizin nur ein Prozent aller klinischen Studien mit konstanten Ergebnissen wiederholt, allerdings sei die sogenannte Replizierbarkeit in der Homöopathie ein noch größeres Problem.
Es fehlt vor allem an Forschungsgeldern und an passionierten Forschern. „Geforscht wird in den Kliniken, doch die allermeisten Homöopathen sind Praktiker“, sagte Michael Frass, Leiter der Spezialambulanz Homöopathie bei Krebserkrankungen am Wiener AKH über den Forschungsnotstand.
Frass ist der einzige habilitierte Homöopath Österreichs und hat als Vorstand einer Intensivstation am AKH eine Studie mit Sepsispatienten durchgeführt. Diese weist bei jener Patientengruppe, die neben der konventionellen Medizin auch homöopathisch behandelt wurde, eine deutlich höhere Überlebensrate nach. Doch auch für eine Wiederholung der Sepsisstudie von Frass hat sich noch kein Forscherteam gefunden.„Wir sehen, dass es wirkt“ Ungeachtet der Sackgasse, in der sich die wissenschaftliche Debatte befände, sei die Homöopathie in der Realität längst angekommen, meinte TU-Forscher Linde. Die vielen positiven Erfahrungen, die Patienten und Homöopathen in der Praxis machten, seien nicht alle mit Placeboeffekten erklärbar.
Wie die Therapie mit den verschüttelten Arzneistoffen, in denen nachweislich kein Wirkstoff mehr enthalten ist, genau funktioniert, kann derzeit in der Tat noch kein Forscher erklären. „Wir sehen nur, dass sie wirkt“, sagt Klaus von Ammon und fügt hinzu: „Der Apfel ist auch schon zu Boden gefallen, bevor Newton im 17. Jahrhundert die Schwerkraft entdeckt hat.“

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