Jeder von Ihnen, der einen Führerschein hat, hat mindestens einmal in seinem Leben einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert. Aber Hand aufs Herz: Wissen Sie noch, wie man bei einem Menschen mit Verdacht auf Herzstillstand vorgehen soll? Wie erhärte ich diesen Verdacht? Falls er sich bestätigt, wieviele Beatmungen folgen auf wieviele Herz-Kompressionen, oder doch umgekehrt? Wieviele Fingerbreiten oberhalb des unteren Ende des Brustbeins ist der Druckpunkt anzusetzen? Und sind Sie sicher, dass sie sich überwinden können, einen leblosen, wildfremden Menschen Mund-zu-Mund zu beatmen?
In Europa erleiden jährlich rund 500.000 Menschen einen plötzlichen Herzstillstand. Doch nur in einem von fünf Fällen greifen umstehende Laien (also Menschen, die nicht in medizinischen Berufen tätig sind) ein! Um diese erschreckend niedrige Quote anzuheben, ist es wichtig, die Hemmschwelle (s.o.) der potentiellen Ersthelfer zu senken. Für die Überlebenschance nach einem Herzstillstand sind gerade die ersten Minuten wichtig, also die Zeit auf der Straße, noch bevor das Rettungsteam den Patienten versorgen kann.
Mitte Oktober 2010 hat das European Resuscitation Council (ERC) seine neuen Leitlinien veröffentlicht, in die die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten fünf Jahre (also seit der letzten Überarbeitung) eingeflossen sind. Um medizinische Laien nicht unnötig von der Wiederbelebung abzuschrecken, hat man für diese die Anleitung jetzt deutlich vereinfacht:
Wenn der aufgefundene Patient weder antwortet noch reagiert (z.B. auf Schmerzreiz) SOFORT: Notruf absetzen und dann SCHNELL UND KRÄFTIG PUMPEN!
Dass diese stark vereinfachte Methode ähnlich wirksam ist wie die „klassische“ (bzw. gemäß einer kürzlich in der renommierten medizinischen Zeitschrift „Lancet“ erschienen Studie sogar deutlich wirksamer), liegt u.a. daran, dass im Blut in der Regel noch genug Sauerstoff ist, um das Gehirn für eine gewisse Zeit zu versorgen – aber damit es dorthin gelangt, muss eben gepumpt werden. Empfohlen ist eine Frequenz von 100 pro Minute, dabei soll der Brustkorb mindestens fünf Zentimeter tief komprimiert werden. Und bitte nicht erschrocken zurückweichen, falls (was unwahrscheinlich ist) eine Rippe knackt: Wenn Sie es schaffen, einen Menschen den Klauen des Todes zu entreißen, sind ein oder zwei gebrochene Rippen dabei belanglos. Wichtig ist, mit ausgestreckten Armen und auf-und-ab-wippendem Oberkörper zu arbeiten, um ein frühzeitiges Schwinden der Kräfte zu vermeiden. Für medizinisch geschulte Personen gilt im übrigen (noch) die bisherige Empfehlung: 30x Herzdruck, 2x beatmen.
Wie so oft kommt auch die neue „Schnell und kräftig pumpen“-Regel nicht ohne Ausnahme aus: Wenn der Herzstillstand eine Folge z.B. von Unfall, Ertrinken oder allergischer Reaktion ist, oder wenn es sich um ein Kind handelt, sollte die Herzdruckmassage weiterhin gemeinsam mit einer Beatmung durchgeführt werden. Aber auch hier zählt: Im Zweifelsfall Hilfe rufen (Österreich: 144; international: 112) und sofort (zumindest) Herzdruckmassage durchführen, bis ein Rettungsteam eintrifft!
Copyright Dr. Nikolaus Kiendl